Open Source und regionale IT-Infrastruktur als Triebfeder für digitale Souveränität
Hidden Champions und hiesige Unternehmen, die weitreichende Impulse setzen: Wer auf schlagkräftige und einfallsreiche IT-Firmen setzt, muss nicht über den Großen Teich blicken. Im eigenen regionalen Umfeld gibt es zahlreiche Akteure, die Unternehmergeist leben und demonstrieren – unabhängig und sicher, mit hiesiger Technik und Infrastruktur. Auch europäische Projekte wie Gaia-X sind dabei ein wichtiger Baustein für diese Unternehmen, um die digitale Souveränität voranzutreiben – viel wurde hier bereits angestoßen, dennoch gibt es berechtigte Kritik am langsamen Fortschreiten.
Neben den europaweiten Initiativen braucht es heimisch vernetzte Anbieter vor Ort – als Ergänzung mit Bottom-Up-Herangehen, denn: Nur durch die Stärkung des regionalen Umfelds kann die digitale Souveränität Europas gesichert werden. Vereine und Initiativen wie ALASCA stellen hierfür den Rahmen, um verschiedenste Kompetenzen über Unternehmensgrenzen hinweg zu bündeln. Auf Open Source Basis, mit offenen Standards und auf Augenhöhe zwischen den Akteuren. Digitale Technologien und Daten sollten im eigenen Land verfügbar, der Zugang niedrigschwellig und sicher sein. Dabei gilt es, bestehende Stärken weiter auszubauen und insbesondere in Zukunftstechnologien zu investieren. Zeitgleich sollte das Vertrauen in regionale Unternehmen und deren Technologien gestärkt werden.
Am 26. Juni wurde in der hochkarätig besetzten Gesprächsrunde aktuelle Herausforderungen sowie konkrete Schritte seitens Politik und Wirtschaft zur Umsetzung von Maßnahmen besprochen, die darauf einzahlen, die digitale Souveränität im regionalen Umfeld nachhaltig zu stärken.
Moderiert wurde der Round Table von Frank Bösenberg (Geschäftsführer Silicon Saxony e.V.).
Expert:innen
Daniel Gerber ist seit 2019 Mitglied des Sächsischen Landtags, Energie-, Klimaschutz- und Digitalpolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Nach seinem Studium und Promotion von 2004 bis 2015 in dem Bereich Informatik an der Universität Leipzig, arbeitete er von 2014 bis 2019 als Technischer Leiter (CTO) bei der Targomo GmbH, deren technische Basis auf Open Source (Java, Kubernetes, GitLab, etc.) und Open Data (bspw. Geo- und Fahrplandaten) basiert bzw. Komponenten für den Zugriff auf die eigenen Webservices selbst wieder als Open Source bereitstellt.
„Die Mehrwerte von Open Source müssen natürlich auch bei den Kommunen, Unternehmen und Menschen ankommen – und sichtbar werden. Wir haben beispielsweise ein Transparenzgesetz in Sachsen verabschiedet, dessen Kern die sogenannte Transparenzplattform ist, in der alle Anfragen der Bürgerinnen und Bürger gesammelt werden. Diese Plattform wird als freie und öffentlich verfügbare Software entwickelt, von der auch andere Bundesländer als Blaupause profitieren können.“
„Teil einer umfassenden Digitalstrategie sollte auch sein, Open Source mit Vorrang in Gesetzestexten zu verankern, um so feste politische Rahmenbedingungen zu schaffen und den Weg für mehr Kooperationen freizumachen. Innovation findet so unternehmens- und länderübergreifend statt – und nicht hinter verschlossenen Türen. Auf Bundes- und Länderebene braucht es hier weitere Anpassungen, zum Beispiel entsprechende Klauseln in den Vergabe- und E-Government-Gesetzen, um den Open Source-Einsatz voranzubringen. Die Verwaltung als größter Beschaffer von Software kann hier ein deutliches Signal hin zu mehr Open Source-Software setzen.“
“Beim Thema Open Source-Software muss die Verwaltung mit gutem Beispiel vorangehen. Dabei gilt für mich das Motto: ‘Public Money, Public Code’. Da wo öffentliches Geld ausgegeben wird, soll auch frei verfügbare Software eingesetzt und entwickelt werden. Das reduziert Abhängigkeiten und verhindert, dass Software für die gleiche Aufgabe mehrfach implementiert wird. Das spart wertvolle Ressourcen, die ohnehin knapp sind in Bezug auf die Digitalisierung. Mit der Open Source-Strategie der Sächsischen Staatsverwaltung gestalten wir im Freistaat bereits den Pfad zu mehr digitaler Souveränität. ”
“Open Source ist für mich auch die Möglichkeit das Softwareland Sachsen weiter voranzubringen – Stichwort Regionalität. Wir haben in Sachsen bereits viele Firmen und Stakeholder, die im Open Source-Umfeld aktiv sind, wie die sächsischen Unternehmen in der Open Source Business Alliance und das Netzwerk „GAIAsaX“ zeigen. Mit diesen Initiativen können und sollten wir langfristig strategisch planen und diese mit konkreten Umsetzungspfaden weiter ausbauen. Ein perspektivisches Ziel: eine souveräne Cloud-Infrastruktur im eigenen Landesrechenzentrum und der souveräne Arbeitsplatz in der Landesverwaltung.“
Frauke Greven ist Leiterin der Digitalagentur Sachsen, einem nachgeordneten Bereich des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Sie studierte Politikwissenschaft, Recht und Philosophie in Kiel, Wien und München und Arbeitswissenschaften in Bochum. Ihre Begeisterung für die digitale Transformation in Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung hat sie für einen fachlichen Quereinstieg in die Cyber-und Informationssicherheit motiviert. Zuletzt war sie in verschiedenen leitenden Funktionen im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) tätig – u.a. in den Bereichen Digitalisierung und Informationssicherheit in der Wirtschaft sowie kritische Infrastrukturen.
“Unternehmen kommen in der Regel über ein Problem zur Lösung und suchen nicht in einer Datenbank nach einem Code, auf dessen Basis sie ein Geschäftsmodell entwickeln könnten. Das Pferd wird also nicht von hinten aufgezäumt. Wichtig dabei ist, dass Unternehmen auf ein breites offenes Netzwerk zurückgreifen können und darauf basierend bestmögliche Entscheidungen für ihre Problemlösung treffen. Unsere Aufgabe als politische Entscheidungsträger:innen ist es, hier zu sensibilisieren, Vorteile aufzuzeigen und Rahmenbedingungen für einen gewinnbringenden Austausch zwischen den Beteiligten zu schaffen.”
“Die Digitalstrategie ist mehr als nur eine staatliche Initiative, sie ist ein Versprechen an alle Bürgerinnen und Bürger Sachsens. Ihre Umsetzung ist ein Prozess, der darauf abzielt, Sachsen in eine digital souveräne Region zu verwandeln, indem er Resilienz und digitale Teilhabe fördert. Doch das allein reicht nicht aus. Wir müssen die Unternehmen für Open-Source-Software öffnen und ihnen deutlich machen, dass diese nicht ihr Geschäft bedroht, sondern vielmehr eine Chance für Innovation und Weiterentwicklung bietet. Die Digitalstrategie kommt nicht vom Freistaat Sachsen, sondern ist für den Freistaat Sachsen – eine Strategie, die auf den Bedürfnissen und dem Feedback der Bevölkerung und der lokalen Unternehmen basiert.”
“Unserer Digitalstrategie umfasst diverse Handlungsfelder, Aufgaben, Maßnahmen – und drei Prinzipien, die viel mit digitaler Souveränität zu tun haben: Nachhaltigkeit, Teilhabe und Resilienz. Wenn wir es schaffen, alles, was wir bis 2030 umsetzen, mit diesen Prinzipien auszustatten, uns daran auszurichten und digitale Souveränität als ein wichtiges Hauptkriterium anzulegen – dann bin ich überzeugt davon, dass wir mit dem, was wir ohnehin bereits machen, sehr weit kommen.”
“Open Source ist eine große Chance, beim nächsten Technologiesprung KI eine Demokratisierung von Innovationspotenzialen in der Wirtschaft zu ermöglichen. Indem die Datengrundlagen und die KI-Algorithmen transparent sowie zugänglich sind, werden sie für eigene Weiterentwicklungen für die Unternehmen nutzbar und gestaltbar. Die Region Sachsen kann bereits zahlreiche Unternehmen und Initiativen vorweisen, die in diesem Bereich tätig sind, und es ist unsere Aufgabe, sie sichtbar zu machen und zu vernetzen. Open Source ermöglicht es uns, die Qualität von KI-Systemen ständig zu verbessern und anzupassen, was für uns einen großen Qualitätsgewinn bedeutet. Um dies zu erreichen, müssen wir nicht nur das Verständnis und die Bereitschaft zur Nutzung von Open Source fördern, sondern auch das Vertrauen in diese Technologie stärken.”
“Vor allem kleinere Unternehmen fragen sich, was sie von Open Source haben – hier ist es unsere Aufgabe, ihnen Erfolgsgeschichten und Praxisbeispiele zu zeigen. Um diese Beispiele nicht nur am Leben zu halten, sondern konsequent auszubauen, braucht es eine starke, regionale IT-Infrastruktur, die auf Open Source setzt. Mit der Unterstützung von Initiativen und Verbänden, die sich diesem Thema widmen, können wir Open Source in Sachsen weiter fördern und den Freistaat als IT-Standort stärken.”
Marius Feldmann ist Chief Operating Officer der Cloud&Heat Technologies und in dieser Rolle verantwortlich für die technologische Weiterentwicklung des Softwarestacks der Cloud&Heat, für den Betrieb der Cloud-Infrastruktur wie auch für die Themenfelder der strategischen Geschäftsfeldentwicklung und Marktausrichtung. In diesem Zusammenhang hat er die Cloud&Heat Technologies in mehreren strategisch wichtigen Partnerschaften und Initiativen verankert. Besonders nennenswert sind dabei die Ausgründung der secustack GmbH gemeinsam mit der Secunet Security Networks AG, die Entwicklung von Yaook, einem quelloffenen Cloud-Lifecycle-Management-System, gemeinsam mit der Schwarz IT wie auch die Mitarbeit an Gaia-X seit Beginn der Initiative.
“Häufig höre ich aus politischen Kreisen Klagen, dass es kaum nennenswerte international wettbewerbsfähige deutsche IT-Unternehmen gibt. Eigentlich ist das ja absurd: Genau die, die sich beklagen, sind auch diejenigen, die an dieser Situation einen wesentlichen Anteil haben. Sie könnten die bestehende, hohe Nachfrage der öffentlichen Hand nach IT-Lösungen stärker zu echt wertschöpfenden Unternehmen aus Deutschland steuern. Dann wird es auch sehr bald mehr international wettbewerbsfähige IT-Unternehmen geben!”
Miriam Seyffarth leitet seit Februar 2022 das Ressort Politische Kommunikation der Open Source Business Alliance. Von 2016 bis 2021 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Büroleiterin der Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner und betreute in dieser Funktion diverse bundespolitische Digitalthemen.
“Ein Beispiel aus der Geschichte: Die Industrialisierung hat die Gesellschaften maßgeblich nach vorne gebracht, das hat auch mit dem Schaffen von einheitlichen Standards zu tun, die für alle offen zugänglich und nutzbar waren – als Basis für die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen. Schienennetze mit einheitlichen Schienenbreiten, ohne dass jedes Eisenbahnunternehmen sein eigenes Süppchen kocht. Wir sind jetzt in der vierten industriellen Revolution, ein Zeitalter der Datenökonomie. Und offene Standards und Open Source Software können hier Offenheit und freien Marktzutritt garantieren.“
“Eine 2021 von der EU-Kommission veröffentlichte Studie belegt, dass der Einsatz von Open Source Software sich positiv auf die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit europäischer Unternehmen, das Wirtschaftswachstum, auf die Start-up- und KMU-Szene sowie die technologische Unabhängigkeit auswirkt. Open Source Software leistet einen erheblichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt der EU und weist ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von mindestens 1:4 aus. Aus diesem Grund muss auch in Sachsen entschieden in das vorhandene Open-Source-Ökosystem investiert werden.”
Nach meinem Master Studium der Betriebswirtschaft an der WHU Vallendar mit Stationen im Consulting und Venture Capital habe ich in der Unternehmensberatung für McKinsey und Siemens Management Consulting gearbeitet. Dabei habe ich internationale Erfahrung in USA, Frankreich und Südafrika sammeln können. Vor ca. 9 Jahren bin ich dann von New York wieder nach Zwickau gezogen und ins Familienunternehmen N+P eingestiegen. Hier bringe ich mich als Geschäftsführer ein und arbeitet mit unserem Team von ~200 Team-Mitgliedern an der Digitalisierung der Fertigungs- und Bauindustrie. Mit IT-Integrationskompetenz und eigenen Software-Produkten sorgen wie für die Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette unserer mittelständischen Kunden deutschlandweit an 7 Standorten.
„Elektronische (IoT-)Geräte, die über das Internet kommunizieren, greifen oftmals auf Cloud-Services bereitgestellt von großen Anbietern zurück, in deren Hände ich mich als Unternehmen begebe, gewissermaßen ausliefere. Wenn diese jedoch kurzfristig ihren Service oder das Produkt einstellen, wird man im Regen stehen gelassen. Das ist nicht wie beim Kauf einer Glühbirne aus dem Baumarkt für einen Euro, die man ohne Weiteres wegwerfen und ersetzen kann.“
“Das Geschäftsmodell von Deutschland und seinen Hidden Champions beruht auf der Produktion und dem Export von physischen Dingen mit hoher Qualität bzw. hohem Innovationsgrad. Die Zukunft der Wertschöpfung liegt aber zunehmend in digitalen Geschäftsmodellen. Dafür braucht es souveräne Plattformen auf der Infrastruktur- und Software-Ebene, die verhindern, das einzelne Monopole die gesamte Wertschöpfung auf ihre Seite ziehen.”
“Die digitale Infrastruktur wird ebenso zur kritischen Infrastruktur, wie physische Infrastruktur. Im aktuellen Wettbewerb der Systeme Europa, China und USA müssen wir uns als Europäer zu einem gewissen Grad unabhängig machen, um im Notfall auch auf eigenen „digitalen“ Beinen stehen zu können. In den letzten Jahren hat ein Ausverkauf der deutschen Softwareindustrie stattgefunden. Käufer sind oftmals US- Private Equity Fonds. Wir müssen in Europa auch Software-Champions in einzelnen Domänen aufbauen, um unsere digitale Zukunft selbst zu gestalten. Im B2C-Geschäft haben wir in Europa den Zug verpasst und sehen jetzt eine Dominanz von Plattformen aus USA und China. Im B2B Geschäft ist der Wettbewerb noch nicht entschieden.”
Stephan Ilaender ist seit Januar 2023 Geschäftsführer Runtimes&Support bei STACKIT und war zuvor bereits in verschiedenen Management- sowie C-Level-Positionen tätig. In seiner mehr als 20-jährigen Berufserfahrung kann Ilaender die erfolgreiche Leitung und Umsetzung von maßgeschneiderten Projekten für große Unternehmen sowie die Entwicklung komplexer Lösungen für hochverfügbare Online-Shops vorweisen. Er und seine Teams unterstützen Kunden bei der Transformation ihrer IT-Infrastrukturen im Sinne der Digitalisierung. Die Entwicklung einer Multi-Cloud-Strategie zur Herstellung digitaler Souveränität für Kunden-Workloads gehört ebenso zu seinen Aufgaben wie die Implementierung moderner Technologien für Entwicklung und Deployment auf Basis von Kubernetes in einer föderierten Microservice-Architektur. Stephan Ilaender sieht es als seine Aufgabe an, Kunden bei der schrittweisen Umstellung von Workloads auf skalierbare Cloud-Produktplattformen zu unterstützen und so digitale Souveränität sowie wirtschaftliche Einsparungen zu erzielen.
„Unser Ziel bei der Entwicklung von STACKIT war eine sichere und deutsche Cloud-Alternative für Unternehmen und Verwaltung, die sich nicht von Hyperscalern abhängig machen wollen. Wir bieten Unternehmen die Möglichkeit, beispielweise ihre Infrastrukturdaten in der Cloud tatsächlich sicher zu speichern und zu verarbeiten. Wichtig ist STACKIT zudem die ständige Beratung der Kunden bei der Digitalisierung. STACKIT hat, als Teil der Unternehmensgruppe Schwarz, in der Vergangenheit selbst dieselben Herausforderungen bei der Digitalisierung gemeistert und kann daher optimal aus der Perspektive des zu digitalisierenden Unternehmens denken.”
„STACKIT steht seit März 2022 auch Organisationen außerhalb der Unternehmen der Schwarz Gruppe zur Verfügung. Mit dem ausschließlich in Europa entwickelten und gehosteten Produkt ermöglicht STACKIT seinen Kunden absolute Datensouveränität: bei allen Produkten steht sowohl die Datensicherheit als auch der Datenschutz im Mittelpunkt. Alle Server befinden sich in Deutschland und Österreich, weshalb mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung die höchsten Datenschutzstandards weltweit gelten. Derzeit konzentriert sich STACKIT hauptsächlich auf die Implementierung ihrer IT-Lösungen in kleinen und mittelständischen Unternehmen aller Branchen sowie auf Behörden und Verwaltungen.”
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